Wenn größere Investitionen – wie z. B. ein neues Auto – auf Raten bezahlt werden oder ein Kredit getilgt werden muss, kann das den monatlich zur Verfügung stehenden Betrag auf Dauer schmälern. Häufig entsteht dadurch auch eine große Liquiditätslücke oder eine Überschuldung und die fälligen Zahlungen können nicht mehr getätigt werden. Eine einzelne, verspätet bezahlte Forderung ist dabei meist noch kein Problem. Kritisch wird es erst, wenn sich unbezahlte Rechnungen anhäufen und eine fristgerechte Rückzahlung im geforderten Zeitraum immer unrealistischer wird. In diesem Fall droht eine Zahlungsunfähigkeit.
Wir erklären, was man unter dem Begriff Zahlungsunfähigkeit genau versteht, welche Folgen die Liquiditätslücke hat und was Du dagegen tun kannst.
Grundsätzlich können von einer Zahlungsunfähigkeit sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen betroffen sein. In Paragraph 17 der Insolvenzverordnung (InsO) wird die Zahlungsunfähigkeit so definiert: „Sobald es für den Schuldner unmöglich ist, die Fälligkeitsfristen seiner Zahlungspflichten gegenüber den Gläubigern einzuhalten, wird davon ausgegangen, dass dieser zahlungsunfähig ist“. Der Bundesgerichtshof (BGH) legt außerdem fest, dass bei einem Schuldner dann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn er innerhalb von drei Wochen mindestens 10 Prozent seiner Schulden nicht mehr begleichen kann.
Wenn Vermögen und Einkommen nicht mehr ausreichen, um die fälligen Zahlungspflichten wie Rechnungen, Kredite oder Miete zu bezahlen, fehlt es an der notwendigen Liquidität. Dazu zählt nicht nur Bargeld oder Geld auf dem Konto, sondern auch Vermögenswerte, die bei Bedarf in Geld umgewandelt werden können. Fehlt dem Schuldner über einen längeren Zeitraum das Geld, folgt unweigerlich eine Zahlungseinstellung, was gleichbedeutend mit einer Zahlungsunfähigkeit ist.
Welche Gründe führen zu einer Zahlungsunfähigkeit?
Eine Zahlungsunfähigkeit wird fast immer Gründe ausgelöst, die nicht in der Macht der Betroffenen liegen. Umfragen bei Schuldnerberatungsstellen zufolge sind folgende Situationen am häufigsten Grund für Liquiditätslücken bei Privatpersonen:
- Plötzliche Arbeitslosigkeit
- Arbeitsunfähigkeit durch langfristige Erkrankungen oder Unfälle
- Suchterkrankungen
- Trennung oder Versterben des Partners oder der Partnerin
- Erfolglose Selbstständigkeit
- Unökonomische Haushaltsführung
Die Zahlungsstockung – eine Form von Zahlungsunfähigkeit?
Hin und wieder wirst Du im Kontext von Zahlungsunfähigkeit auch von einer Zahlungsstockung lesen. Mit diesem Begriff wird ein nur vorübergehender, kurzfristiger Zahlungsengpass bezeichnet. Dies bedeutet aber nach Insolvenzordnung nicht, dass der Schuldner als insolvent bezeichnet werden kann. Von einer Zahlungsstockung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Zustand der Zahlungsunfähigkeit nicht länger als drei Wochen anhält.
Ein Beispiel: Du hast offene Rechnungen zu begleichen, dafür aber aktuell nicht genügend Geldmittel zur Verfügung – auf der anderen Seite stehen aber von Deiner Seite noch Forderungen aus, deren Geldeingang Deine Liquiditätslücke schließen würden. In diesem Fall kannst Du die Forderungen nur für kurze Zeit nicht bezahlen.
Wie lässt sich eine drohende Zahlungsunfähigkeit nachweisen?
Wird dabei offensichtlich, dass die Liquidität der Privatperson oder des Unternehmens nicht mehr ausreicht, um die anstehenden Forderungen zu begleichen, liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor. Dabei reicht es, wenn 10 Prozent der Schulden innerhalb von drei Wochen nicht bezahlt werden können.
Die Zahlungsfähigkeit muss von einer Privatperson oder dem Geschäftsführenden eines Unternehmens kontinuierlich geprüft werden. Welche Abstände zwischen den Überprüfungen maximal liegen dürfen, gibt das Gesetz allerdings nicht vor. In kritischen Situationen ist es allerdings ratsam, die Begutachtung in kürzeren Abständen durchzuführen und sich dafür professionelle Hilfe zu suchen. Das kann bei Privatpersonen z. B. eine Schuldnerberatung sein.
Was ist der Unterschied zwischen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit?
Nicht selten kommt es vor, dass im Zuge des aufgestellten Finanzplanes nicht nur eine Zahlungsunfähigkeit, sondern auch eine Überschuldung festgestellt wird. Diese besteht laut Insolvenzordnung dann, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Zahlungspflichten nicht mehr decken kann. Als Vermögen gelten dabei sowohl der Besitz als auch das Einkommen. Die Überschuldung führt also in der Regel zu einer Zahlungsunfähigkeit.
Bei Unternehmen wird im Falle einer Überschuldung laut BGH aus dem Recht der Geschäftsführung, einen Insolvenzantrag zu stellen, eine Verbindlichkeit.
Diese Auswirkungen hat eine Zahlungsunfähigkeit bei Privatpersonen
Die Situation eines Schuldners bei Zahlungsunfähigkeit ist oft heikel und kann weitreichende Konsequenzen haben:
- Banken können Kredite kündigen, wodurch fällige Zahlungen innerhalb von zwei Wochen beglichen werden müssen – in diesem Fall droht eine
- Bei Mietschulden droht der Verlust der Wohnung.
- Gläubiger haben das Recht, früher oder später Mahnverfahren einzuleiten.
- Unter gewissen Umständen werden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet.
- Gläubiger sind auch berechtigt, bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Schuldners einen Insolvenzantrag für diesen einzureichen.
Besonders gefährlich wird es für Dich als Schuldner dann, wenn Du trotz der großen Liquiditätslücke weiter Schulden anhäufst, obwohl diese Verbindlichkeiten perspektivisch nicht bezahlt werden können. Schlimmstenfalls werden diese noch offenen Schulden dann bei einer Privatinsolvenz im Rahmen der Restschuldbefreiung nicht erlassen.
Zahlungsunfähigkeit – was tun? Diese Schritte sind wichtig!
Auch wenn eine Zahlungsunfähigkeit belastend ist, gibt es klare Auswege aus dieser Situation. Berücksichtigst Du ein paar Tipps, sind die Chancen auf einen positiven Ausgang der Gesamtsituation durchaus gegeben.
1. Aufsuchen von Schuldnerberatungsstellen
Den Schuldenberg allein zu bewältigen ist vielleicht möglich, aber meist nicht ratsam. Es empfiehlt sich noch vor der Einstellung der fälligen Zahlungen an die Gläubiger den Gang zu einer Schuldnerberatung anzutreten. Die Experten dort können professionell einschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Privatinsolvenz ist und in Kontakt mit den Gläubigern treten.
2. Kontaktierung der Gläubiger
Gemeinsam mit dem Schuldnerberater kannst Du in Kontakt mit deinen Gläubigern treten und sie über die Zahlungsunfähigkeit informieren. Zusammen kann an einer Lösung gearbeitet werden, z. B. der Minderung der fälligen Raten oder einem Zinserlass. In manchen Fällen ist sogar eine Umschuldung ratsam, um eine Zwangsvollstreckung zu verhindern.
3. Insolvenzverfahren einleiten
Gerade wenn die Zahlungsfähigkeit besonders eingeschränkt ist, bleibt der vorgeschriebene Einigungsversuch mit Gläubigern oft erfolglos. Dann ist der einzige sinnvolle Ausweg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, um die Schulden abzubauen. Um dabei keine weitreichenden Fehler zu begehen, ist ein guter Rechtsbeistand unumgänglich.
Müssen Schuldner bei Zahlungsunfähigkeit zwingend Privatinsolvenz beantragen?
Unternehmen sind laut Insolvenzrecht dazu verpflichtet, bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenz anzumelden – aber gilt eine solche Insolvenzantragspflicht auch für Privatpersonen? Laut Insolvenzordnung gibt es dazu keine Verpflichtung. Es gilt aber trotzdem zu beachten, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung verwehrt werden kann, wenn ein Gläubiger eine entsprechende Forderung stellt. Das Szenario tritt vor allem dann ein, wenn man trotz hoher Liquiditätslücke oder gar Überschuldung und ohne Aussicht auf Besserung der Liquidität keinen Insolvenzantrag stellt und damit die wirtschaftliche Lage der Gläubiger grob fahrlässig beeinträchtigt. Auch wenn eine Insolvenzantragspflicht also faktisch nicht gegeben ist, sollte trotzdem rechtzeitig mit der Einleitung der Privatinsolvenz begonnen werden.
Anmeldung eines Insolvenzverfahrens
Um eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aufzulösen, kannst Du mit Hilfe eines privaten Insolvenzverfahrens nach drei Jahren schuldenfrei zu sein. Das sogenannte Verbraucherinsolvenzverfahren, auch Privatinsolvenz genannt, ermöglich verschuldeten und zahlungsunfähigen Privatpersonen die Tilgung der Schulden und somit einen wirtschaftlichen Neuanfang.
Vor dem Insolvenzantrag muss der Schuldner allerdings nachweisen, sich um eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern bemüht zu haben – am besten bestätigt durch eine Schuldnerberatungsstelle. Ist das Insolvenzverfahren eröffnet folgt die Wohlverhaltensphase, in welcher der Schuldner versucht, so viele Verbindlichkeiten wie möglich zu tilgen. Die Länge dieser Phase hängt ganz vom Schuldner ab, beschränkt sich in der Regel aber auf drei Jahre, wenn der Schuldner seinen Pflichten und Verbindlichkeiten nachkommt. Mit der Restschuldbefreiung endet das Insolvenzverfahren und einem finanziellen Neuanfang steht nichts mehr im Wege!
An wen Du Dich bei einer Zahlungsunfähigkeit wenden kannst
Eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsstockung kann jede und jeden treffen. Kannst Du fälligen Zahlungen oder anderen Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen, stehst Du auf keinen Fall allein da. In dieser Situation ist der Weg zu einer Schuldnerberatung immer empfehlenswert! Viele staatliche und gemeinnützige Einrichtungen bieten diese auch kostenfrei an – dazu zählt unter anderem auch der Bürgerservice einer jeden Gemeinde.
Doch selbst wenn die Beratung mit Kosten verbunden ist, kann diese auch bei Mittellosigkeit in Anspruch genommen werden. Laut Insolvenzrecht stellt das Gericht dann einen Beratungshilfeschein aus, wodurch ein Anwalt die Schuldnerberatung kostenlos übernimmt. Eine Zahlungsunfähigkeit ist also keine aussichtslose Situation für den Schuldner, denn mit den richtigen Maßnahmen und Handlungsschritten kann auch eine verfahrene Situation gemeistert und die Liquidität wiederhergestellt werden.