Wenn das Konto bereits gepfändet und der Schuldenberg nicht mehr zu stemmen ist, ermöglicht die Privatinsolvenz einen finanziellen Neuanfang. Bereits im Jahr 2019 wählten über 80.000 Menschen in Deutschland den Gang in die Privat- bzw. Verbraucherinsolvenz. Die Ende 2020 verabschiedete und Anfang 2021 in Kraft getretene Reform des Insolvenzrechts macht den Weg für Betroffene in ein schuldenfreies Leben nun noch etwas einfacher. Während es vorher sechs Jahre bis zur Restschuldbefreiung dauern konnte, wird die Dauer des Insolvenzverfahrens mit der Reform grundsätzlich auf drei Jahre festgelegt.

Wir erklären, unter welchen Voraussetzungen man eine Insolvenz anmelden kann und wie ein Privatinsolvenzverfahren abläuft.

Was ist eine Verbraucherinsolvenz?

Die Verbraucher- bzw. Privatinsolvenz ist für Schuldner eine der letzten Optionen, um sich aus einer finanziellen Schieflage zu befreien. Nach Ablauf des dreijährigen Insolvenzverfahrens bietet sie Betroffenen die Aussicht auf eine sogenannte Restschuldbefreiung – also die vollständige Freistellung von der bis dahin verbliebenen Restschuld. Die Privatinsolvenz eröffnet die Chance auf ein schuldenfreies Leben, unabhängig davon, wie hoch die Schulden sind bzw. wie viele Gläubiger Forderungen stellen.

Wer eine Insolvenz anmelden möchte, sollte sich im Vorfeld allerdings gut informieren. Zum einen müssen für die Beantragung einer Privatinsolvenz bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, zum anderen müssen Schuldner im Laufe eines Privatinsolvenzverfahrens konkreten Pflichten nachkommen, um am Ende tatsächlich eine vollständige Restschuldbefreiung gewährt zu bekommen.

Wer kann eine Privatinsolvenz beantragen?

Um beim Insolvenzgericht eine Privatinsolvenz anmelden zu können, müssen in Deutschland bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

Du kannst eine Privatinsolvenz beantragen, wenn folgende Bedingungen bei Dir gegeben sind:

  1. Zahlungsunfähigkeit
  2. Du übst keine selbständige Tätigkeit aus*
  3. Du hast Deinen Lebensmittelpunkt in Deutschland
  4. Der Einigungsversuch mit Deinen Gläubigern im Schuldenbereinigungsfahren war erfolglos

*Für Selbständige existiert generell das Regelinsolvenzverfahren. Privatinsolvenz anmelden können Selbständige nur dann, wenn sie den Betrieb nicht weiterführen, zum Zeitpunkt vom Insolvenzantrag weniger als 20 Gläubiger aus der ehemaligen Selbständigkeit haben und keine Schulden an ehemalige Arbeitnehmer bestehen.

So läuft eine Verbraucherinsolvenz ab

Ein Privatinsolvenzverfahren zeichnet sich naturgemäß durch mehrere Phasen aus. Für einen erfolgreichen Ausgang einer Privatinsolvenz müssen Schuldner dabei in jeder Phase konkrete Aufgaben erfüllen bzw. bestimmten Pflichten nachkommen. Nur in den seltensten Fällen wird eine Verbraucherinsolvenz durch eine Einigung mit allen vorhandenen Gläubigern verhindert.

Um für eine Privatinsolvenz einen erfolgreichen Ablauf zu garantieren, sollten Betroffene rechtzeitig eine professionelle Schuldenberatung in Anspruch nehmen. Erst wenn Du einen geeigneten Rechtsanwalt und Schuldnerberater gefunden hast, solltest Du den Weg in die Verbraucherinsolvenz gehen.

Insgesamt umfasst die Privatinsolvenz vier Phasen:

Phase 1: Einigungsversuch mit Gläubigern im Schuldenbereinigungsverfahren

(Falls der Einigungsversuch scheitert, folgen die weiteren Phasen.)

Phase 2: Anmeldung der Privatinsolvenz

Phase 3: Wohlverhaltensphase (drei Jahre)

Phase 4: Restschuldbefreiung

Phase 1: Einigungsversuch im Schuldenbereinigungsverfahren

Das Schuldenbereinigungsverfahren ist für die Privatinsolvenz eine Voraussetzung, um überhaupt einen Insolvenzantrag stellen zu können. Unterteilt wird dieses Verfahren in zwei Schritte:

  1. Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
  2. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Der Zweck des Schuldenbereinigungsverfahrens ist ein Einigungsversuch mit Deinen Gläubigern. Für diesen Einigungsversuch erstellst Du zusammen mit Deinem Schuldenberater einen sogenannten Schuldenbereinigungsplan, den im Anschluss all Deine Gläubiger erhalten. Im Optimalfall stimmen die Gläubiger dann zu, die ausstehenden Forderungen weiter aufzuschieben, aufzuteilen oder gar zu erlassen. Wichtig ist dabei, dass alle Gläubiger der Schuldenbereinigung zustimmen.

Unter Umständen folgt nach dem außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren noch ein gerichtliches Verfahren. Hierbei unternimmst nicht Du als Schuldner, sondern das Insolvenzgericht einen Einigungsversuch mit den Gläubigern. Erst wenn ein Einigungsversuch mit den Gläubigern erfolglos war, können Schuldner eine Privatinsolvenz beantragen.

Phase 2: Privatinsolvenz anmelden und gerichtliches Insolvenzverfahren eröffnen

War der Einigungsversuch mit den Gläubigern erfolglos, kann beim Insolvenzgericht ein Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden. Für den Privatinsolvenz-Antrag muss unter anderem ein Vermögensverzeichnis sowie eine vollständige Übersicht Deiner Schulden und Gläubiger erstellt werden.

Im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird Dir – nach Möglichkeit auch auf Deinen Vorschlag hin – ein Treuhänder zugeteilt, der im Laufe des Verfahrens dafür verantwortlich ist, die Insolvenzmasse zu verwalten und Dein verbleibendes Vermögen aufzuteilen.

Phase 3: Wohlverhaltensphase

Im Anschluss an die Eröffnung vom Insolvenzverfahren startet die wichtigste Phase der Privatinsolvenz – die Wohlverhaltensphase. Nach der Gesetzesänderung dauert diese nicht mehr fünf bis sechs, sondern in der Regel nur noch drei Jahre.

In diesem Zeitraum – der sogenannten Abtretungsfrist – musst Du den pfändbaren Anteil Deiner Einkünfte an den Treuhänder abtreten. Wie hoch der pfändbare Anteil ist, hängt von der festgesetzten Pfändungsgrenze ab. Diese ermöglicht es Schuldnern, die notwendigen Lebenshaltungskosten zu zahlen und zumindest ein Existenzminimum zu erhalten. Um einen Anspruch auf diesen Pfändungsfreibetrag zu haben, solltest Du Dein bestehendes Konto im Vorfeld des Privatinsolvenzverfahrens in ein Pfändungsschutzkonto umwandeln.

Ein eventuell erhaltenes Erbe muss in der Wohlverhaltensphase zur Hälfte, Einkünfte aus einem Lottogewinn sogar vollständig an den Treuhänder abgegeben werden. Wichtig für die Wohlverhaltensphase ist zudem, dass Du in dieser Zeit keine weiteren Schulden anhäufst. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Dir das Insolvenzgericht am Ende vom Insolvenzverfahren nicht wie erhofft eine Befreiung von der verbleibenden Restschuld gewährt.

Hinweis:

In der Wohlverhaltensphase bist Du dazu verpflichtet zu arbeiten bzw. Dich um eine Arbeit zu bemühen. Sofern Du arbeitslos bist, muss Du nachweisen können, dass Du Dich aktiv auf Arbeitssuche begibst und auch keine zumutbare Arbeit abgelehnt hast.

4. Phase: Die Restschuldbefreiung

Drei Jahre nachdem das Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde, wird über Deine Restschuldbefreiung entschieden. Auch hier profitierst Du von der Gesetzesänderung. Zuvor mussten für eine Restschuldbefreiung mindestens 35 Prozent der Schulden im Laufe des Insolvenzverfahrens getilgt worden sein. Diese Regelung wurde aufgehoben. Zudem müssen auch die Verfahrenskosten aus den vergangenen drei Jahren der Verbraucherinsolvenz nicht bereits vollständig vom Schuldner beglichen worden sein.

Wenn Du in der Wohlverhaltensphase allen Deinen Pflichten nachgekommen bist und dem Gericht keine Gründe für eine anderweitige Entscheidung geliefert hast, solltest Du also nach Ablauf der drei Jahre von all Deinen noch ausstehenden Forderungen befreit werden. Bei vollständiger Restschuldbefreiung bist Du nun schuldenfrei und das eigentliche Verfahren der Privatinsolvenz ist beendet.

Die Vor- und Nachteile der Verbraucherinsolvenz im Überblick

Vorteile Nachteile
·        Möglichkeit, nach drei Jahren vollständig schuldenfrei zu sein, unabhängig von Höhe der Schulden und Zahl der Gläubiger ·        Für die Zeit der Privatinsolvenz (drei Jahre) ist ein sehr bescheidener Lebensstil erforderlich
·        Der Gang in die Privatinsolvenz bietet Schutz vor Lohn- und Kontopfändungen ·        Ausgaben für Treuhänder, Anwälte & Gerichtskosten
·        Der Pfändungsschutz garantiert Schuldnern ein Existenzminimum ·        Wechsel bzw. Abschluss von Verträgen sind aufgrund negativem Schufa-Eintrag während der Privatinsolvenz sehr kompliziert
·        Alle bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgenommenen negativen Schufa-Einträge werden drei Jahre nach Ende des Insolvenzverfahrens gelöscht
·        Psychische Entlastung: Dein Treuhänder übernimmt ab Eröffnung des Verfahrens den Kontakt mit Gerichtsvollzieher und Gläubiger

Privatinsolvenz beantragen: Was sollten Schuldner beachten?

Wer eine Privatinsolvenz beantragen möchte, steht natürlich vor vielen Fragen. Vor der Entscheidung für die Verbraucherinsolvenz sollten Schuldner sich daher zunächst mit den Konsequenzen des Verfahrens vertraut machen, denn dieses hat großen Einfluss auf die Lebensumstände des Betroffenen.

Bleibt bei einer Privatinsolvenz überhaupt Geld zum Leben?

Was Deine Gläubiger während der Privatinsolvenz in der Wohlverhaltensphase pfänden dürfen bzw. welchen Anteil Deiner Einkünfte Du an Deinen Treuhänder abtreten musst, wird in der Pfändungstabelle geregelt. Aktuell beläuft sich der Grundfreibetrag auf 1.179,99 Euro pro Monat. Dieser Betrag ist vor dem Zugriff Deiner Gläubiger geschützt und ermöglicht es Schuldnern in der Insolvenzphase ihre Lebenshaltungskosten zu zahlen. Wichtig: Um Anspruch auf diesen Pfändungsfreibeitrag zu haben, benötigst Du ein Pfändungsschutzkonto.

Hast Du eventuelle Unterhaltspflichten gegenüber Kindern, wird Dir auf Antrag ein höherer monatlicher Freibetrag gewährt. Neben dem Einkommen gehören bei einer Privatinsolvenz aber auch Deine Vermögensgegenstände zur Insolvenzmasse und können gepfändet werden. Wichtige Wertgegenstände, die Du zwingend für Arbeit bzw. Alltag benötigst, musst Du jedoch nicht an den Treuhänder abtreten. Hierzu zählt z. B. ein Auto, das für den Weg zur Arbeit genutzt wird.

Privatinsolvenz: Die Kosten für Schuldner

Der Weg in die Privatinsolvenz bietet die Chance bereits nach drei Jahren komplett schuldenfrei zu sein. Zunächst fallen für den Schuldner im Laufe eines Insolvenzverfahrens jedoch diverse Kosten an. Hierzu zählen unter anderem die Rechnungen Deines Anwalts oder Schuldnerberaters. Nutze daher auch die Möglichkeit kostenloser Beratungsangebote durch staatliche oder gemeinnützige Organisationen.

Darüber hinaus musst Du bei einer Privatinsolvenz Kosten für Gerichte und Insolvenzverwalter zahlen. Diese Verfahrenskosten fallen nicht unter die Restschuldbefreiung und müssen nach Ende einer Verbraucherinsolvenz auf jeden Fall vom Schuldner getilgt werden. Wenn die Verfahrenskosten aufgrund fehlenden Einkommens nicht bezahlt werden können und die Insolvenzmasse nicht ausreicht, kann allerdings eine Stundung beim Gericht beantragt werden. Bei einem genehmigten Antrag können diese Kosten dann auch im Anschluss an die Privatinsolvenz in Raten getilgt werden.

Wichtige Hinweise zur Restschuldbefreiung

Wenn Du im Laufe des Insolvenzverfahrens Deine Pflichten erfüllst und Dir nichts zu Schulden kommen lässt, wirst Du drei Jahre nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenz von der dann noch verbleibenden Restschuld befreit.

Die Restschuldbefreiung kann Dir jedoch wegen folgenden Gründen versagt werden:

  1. Du schaffst es nicht neue Schulden zu vermeiden
  2. Insolvenzstraftat des Schuldners
  3. Falsche oder unvollständig getätigte Angaben im Rahmen des Insolvenzverfahrens
  4. Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht

Nicht unter die Restschuldbefreiung fallen zudem ausstehende Forderungen aufgrund einer verurteilten Steuerhinterziehung, Schulden aus unterlassenen Unterhaltszahlungen, sowie die Verfahrenskosten (Gerichte, Insolvenzverwalter) aus der Zeit der Privatinsolvenz. Diese Forderungen werden dem Schuldner nach Ablauf vom Insolvenzverfahren nicht erlassen und müssen zwingend von diesem getilgt werden.

Ist ein Schuldner nach einer Privatinsolvenz wieder kreditwürdig?

Große Anschaffungen sind auch nach Ende einer Privatinsolvenz schwierig. Negative Schufa-Einträge werden erst drei Jahre nach der Restschuldbefreiung von den Auskunfteien gelöscht. Für viele Banken bist Du als Schuldner, der aus einem Privatinsolvenzverfahren kommt, daher nicht sofort wieder kreditwürdig, weshalb diese z. B. die Vergabe von Krediten oftmals ablehnen.

Welche Alternativen gibt es zur Verbraucherinsolvenz?

Wer eine Privatinsolvenz vermeiden möchte, kann sich um verschiedene Alternativen bemühen:

  1. Umschuldung

Um keine Insolvenz anmelden zu müssen, wählen manche Verbraucher lieber den Weg einer Umschuldung und nehmen dafür z. B. einen zusätzlichen Kredit auf. Die ursprünglichen Forderungen können so auf einen Schlag zurückbezahlt und etwas Zeit für eine Entschuldung gewonnen werden. Dafür entstehen an anderer Stelle aber neue Verbindlichkeiten, sowie zusätzliche Zinskosten für den Kredit.

    2. Insolvenzplanverfahren

Findest Du einen dritten Geldgeber (Zuwender) oder gibt es in der Wohlverhaltensphase wesentliche Änderungen an Deinen Vermögensverhältnissen, z. B. durch ein Erbe, kannst Du über ein Insolvenzplanverfahren bereits nach Ablauf von weniger als einem Jahr schuldenfrei sein.

Ein Insolvenzplanverfahren basiert dabei auf einer Einmalzahlung an die Gläubiger. Die Höhe der Zahlung wird im Rahmen eines gerichtlichen Termins abgestimmt. Das Verfahren endet dann wie auch die Privatinsolvenz mit vollständiger Schuldenfreiheit. Wie beim Einigungsversuch im Schuldenbereinigungsverfahren müssen für ein erfolgreiches Insolvenzplanverfahren jedoch zwingend alle Gläubiger dieser Einmalzahlung zur anteiligen Tilgung der Forderungen zustimmen.

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Fazit: Keine Angst vor der Privatinsolvenz

Begriffe wie Insolvenzverwalter oder Insolvenzverfahren sorgen bei Schuldnern oftmals schon für Bauchschmerzen. Die Vorstellung, erhebliche Anteile von Einkommen bzw. Vermögen im Laufe einer Privatinsolvenz abtreten zu müssen, steigert die Bedenken vor einem solchen Schritt.

Tatsächlich bietet die Privatinsolvenz nach Ablauf von drei Jahren aber die Möglichkeit komplett schuldenfrei zu sein. Das Insolvenzverfahren ist die Chance für einen Neuanfang.

Dank einer umfassenden Restschuldbefreiung werden Schuldner von allen verbleibenden Forderungen ihrer Gläubiger erlöst. Einzig ausstehende Unterhaltszahlungen, sowie Verfahrenskosten für das Gericht müssen nach überstandener Verbraucherinsolvenz noch getilgt werden. Drei Jahre nach Restschuldbefreiung werden zudem alte Schufa-Einträge gelöscht und die ehemaligen Schuldner haben auch wieder gute Aussichten Verträge abzuschließen oder einen Kredit gewährt zu bekommen.