Die Höhle der Löwen Folge 1
Veröffentlicht am 07. September 2017
Lange wurde auf diesen Tag hin gefiebert, nun ist die erste Folge der erfolgreichen Gründershow „Die Höhle der Löwen“ schon wieder Geschichte. Die eine Staffel im Jahr, die die kreativen, in Innovation interessierten Bürger Deutschlands zwischen Shopping Queen und dem perfekten Promi Dinner kurz vor den Fernseher zieht, sie steht wieder in den Startlöchern. Gleich die erste Folge der vierten Staffel erfüllte in etwa jedes Klischee, dass das deutsche Privatfernsehen zu bieten hat: Begeisternde Deals, zu hohe Bewertungen, einen halbwegs bekannten Olympiaathleten und natürlich ganz viele Emotionen.
„Geil, geil, geil“
Um die Ecke vor dem Löwenkäfig kommen Kraftprotz Pascal und der nicht ganz so kräftige Anthony aus Ratingen bei Düsseldorf. Da die beiden jungen Gründer gleich als erste in die Staffel starten, gehört natürlich noch ein bisschen Pathos dazu. Als er 14 war, haben sich Anthonys Eltern getrennt und noch heute sitzt der junge Mann oft am Ufer eines Sees und wälzt Steine in den Händen. In Minute Fünf schon eine DSDS-reife Inszenierung, es kann also nur besser werden. Nach diesem kleinen, für das Produkt irrelevanten, Abstecher, geht es dann endlich ums wesentliche: das erste Start-Up.
Anders als die meisten wahrscheinlich gedacht haben, hat das nämlich nichts mit Fitness, Hanteln oder Eiweißpulver zu tun. Anthony und Pascal haben einen flüssigen Handyschutz „erfunden“ und diesen ProtectPax getauft. Die Flüssigkeit tröpfelt man auf sein Gerät, lässt sie 12 Stunden einziehen und hat seine Handyoberfläche so um das 6-fache verfestigt. Zur Demonstration drischt Pascal mit seinem Monsterbizeps und einem Hammer auf ein Smartphone ein – schockierte Gesichter bei den Löwen. Der hat doch nicht wirklich…?
Ihr Start-Up haben die Gründer bislang mit 20.000 Euro selbstfinanziert und arbeiten noch in ihren gelernten Jobs. Profitabel ist das Unternehmen noch nicht, denn da ProtectPax bislang nur zum Vorbestellen verfügbar ist, ist das nur schwer möglich. Bei der genaueren Inspektion der Verpackung sticht Carsten Maschmeyer dann die „365 Tage Haltbarkeitsgarantie“ ins Auge. „Wurde ProtectPax denn schonmal ein ganzes Jahr getestet?“, so die Frage vom Investmentgiganten. Er selbst habe das flüssige Glas auf seinem Handy, ist die Antwort von Pascal, seit 4 Monaten. Fast genau 365 Tage also. Die Angaben kamen wohl vom chemischen Partner aus den Vereinigten Staaten, darauf habe man sich dann verlassen.
Trotz der kritischen Betrachtung sind gleich drei Löwen gewillt, einen Deal einzugehen. Anthony und Pascal baten um 100.000 Euro für 15% an ihrer Firma, Frank Thelen, Ralf Dümmel und Judith Williams bieten je 150.000 Euro für 20% an ProtectPax. Aber: jeder der drei Löwen bietet natürlich mehr als nur das Geld. Letztendlich entscheiden sich die beiden Gründer für das Angebot von Produktspezialist Ralf Dümmel. Direkt beim ersten Pitch hatte der Investor mit dem lockeren Geldbeutel dann nur drei Worte für die Gründer: „geil, geil geil.“.
Ein Herz fürs Gründen
Die zweite Gründerin die den Löwenkäfig betritt, ist die 49-jährige Birgit Unger aus München bzw. Mallorca. Für ihr Start-Up „Hearts for heels“ gab sie ihren Job als Chefredakteurin im 17. Bundesland auf und zog nach München. Auch hier hat Vox eine rührende Geschichte im Gepäck: Birgit Unger ist nämlich Höhle der Löwen-Fan der ersten Stunde und überlegte schon seit der ersten Staffel, was sie erfinden könnte um auch einmal dabei zu sein. Gründen des Gründens wegen. Dennoch: Frank Thelen ist begeistert. Deshalb ist er so verliebt in diese Sendung. Könnte es eigentlich noch schöner werden?
Nachdem man sich den gegenseitigen Respekt bekunden hat, geht es dann endlich ums Produkt. Für ihre Einlegeherzen für High Heels (das Herz ist nicht nur Teil das Logos sondern tatsächlich das Produkt) verlangt Birgit Unger 20.000 Euro für 20% am Unternehmen. Eine realistische Bewertung, das kommt bei den Löwen gut an. Unger beschreibt sich als begeisterte High Heels-Trägerin und tatsächlich, wenn man auf die fünf Sessel schaut, findet man zwei weitere High Heels-Trägerinnen. Da sollte doch was gehen.
Judith Williams lässt sich nicht lumpen und tritt zum Selbstversuch an. Die Einlegeherzchen sollen einen zu großen Schuh passend machen, so die Gründerin, idealerweise soll dadurch eine halbe Größe ausgeglichen werden, denn die sind scheinbar schwer zu kriegen. Um einen passend unpassenden Schuh zu finden braucht Williams drei Versuche, denn entweder passt der Schuh auch ohne Hilfsmittel, oder er ist eben einfach zu groß. So wie das eigentlich sein soll mit den Schuhgrößen. Carsten Maschmeyer sucht in der Zeit einen Partner zum Kartenspielen und erzählt Anekdoten von Shoppingtrips mit seiner Frau.
Endlich hat sich ein unpassender Schuh gefunden, doch das Einlegeherz macht ihn irgendwie noch unbequemer. Der dicke Zeh stößt gegen den einen Herzflügel. Warum die Form der Einlage herzförmig ist und nicht orthopädisch der eines Fußes angepasst ist? „Keine Ahnung“. Trotz einer sympathischen Gründerin, die doch so gerne etwas auf die Beine stellen wollte, müssen die Löwen der Wahrheit in die Augen blicken: Kein Investment-Case, um es in Investorensprache zu sagen.
Von Promis und Fanatikern
Ein ungewöhnliches Gründerpaar ist das Duo aus Luisa und Markus. Ihre Liebe zum Speiseeis ist so groß, dass sie extra nach Bologna in Italien zog um an der Universität die Eiszubereitung zu studieren. Klingt verrückt, ist aber tatsächlich so. Er, Markus Deibler, ist ehemaliger Profischwimmer, vertrat Deutschland bei den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. 2014 stellte er sogar einen Weltrekord auf, um eine Woche später seine aktive Karriere zu beenden und Eis herzustellen. Wenn das keine Liebe ist.
Tatsächlich kommen die beiden Gründer mit einem vollständig funktionierenden Geschäft in die Höhle der Löwen. Zwei gut laufende Eisdielen betreiben sie in Hamburg, vertreiben ihr Eis abgepackt im Onlineshop und in Supermärkten und sind beim Empfehlungsdienst Foursquare die höchstbewertete Eisdiele in Hamburg. Profitabel ist die GmbH bei etwa 450.000 Euro Umsatz auch schon, für 2017 ist ein Gewinn von 100.000 Euro geplant. Um ein weiteres Produkt, eine Art Backmischung für Eis, herzustellen und in Läden zu platzieren, benötigen Luisa und Markus 120.000 Euro für 10% an ihrem Unternehmen.
Die Zahlen sind soweit ok, da kommt es den Löwen natürlich nur noch auf eins an: den Geschmackstest. Kostproben wurden natürlich schon längst verteilt und die hungrigen Löwen, allen voran Vegetarierin Judith Williams, schlagen kräftig zu. „Wow“, „Wahnsinn“, „der Hammer“, ist das durchweg positive Fazit aus den Reihen. Besonders Vanille-Salz-Cookies kommt gut an. Judith Williams bekommt gar nicht genug und greift sich umgehend noch Frank Thelens und Ralf Dümmels Portion. Investieren will sie komischerweise aber nicht. Auch Carsten Maschmeyer ist raus, er will nicht in etwas Ungesundes investieren. Geschmeckt hat es ihm aber gut.
Dagmar Wöhrl, Frank Thelen und Ralf Dümmel begreifen derweil, dass sich mit einem guten Produkt und zwei boomenden Geschäften wahrscheinlich gut Geld scheffeln lässt und unterbreiten Angebote. Statt auf die faire Bewertung einzugehen, wollen die Investoren für ihren Arbeitsaufwand allerdings noch mehr Prozente bekommen. Die Marke, die Produktion und die Entwicklung der Produkte steht alles schon, da wartet echt noch viel Arbeit.
Wöhrl und Dümmel wollen gleich 25,1 Prozent, Frank Thelen ist da gerissener und verlangt lediglich 20 Prozent. Dennoch müssen sich Luisa und Markus kurz beraten: Luisa will Dümmel, Markus will Frank Thelen. Die immer länger werdende Beratungspause fasst Schwimmer Deibler prägnant zusammen: „Wenn wir hier ohne Deal rausgehen, kotze ich im Strahl.“ Schließlich bekam Frank Thelen den Zuschlag, weil er nicht nur Löwe, sondern auch ein Fuchs war und 5,1 Prozent weniger als seine Mitstreiter verlangte. Wer hätte gedacht, dass 5,1 Prozent an einem mit 1,2 Millionen Euro bewerteten Unternehmen einen Unterschied machen könnten.
Hohe Bewertung schreckt Löwen ab
Die „Otto Wilde Grillers“ kamen mit ordentlich Rückenwind in die Höhle der Löwen. Bereits 2016 versuchten sie über eine Kickstarter Kampagne 90.000 Euro einzusammeln – und bekamen sogar 334.000 Euro. Für 2017 peilen sie einen Umsatz von 3 Millionen Euro an und rufen dafür eine Firmenbewertung von 10 Millionen Euro auf den Plan. 20 Prozent an „Otto Wilde“ für 2 Millionen Euro. So der Deal für die Löwen. Otto Wilde ist übrigens nicht nur die Marke, sondern auch einer der Gründer. Mit seinen Co-Foundern stellt Otto Infrarot-Gasgrills her, mit denen das Grillen eines Steaks perfekt gelingen soll.
Die Grillmeister wollen das Geheimnis für ein perfektes Steak herausgefunden haben: die Temperatur. Ihr Grill grillt das Steak nämlich dank der Kombination aus Infrarotstrahlern und Gasbrennern bei etwa 900 Grad. Sphären, die kein gewöhnlicher Grill erreichen kann. Daher ist die Investmentsumme auch direkt für die Internationalisierung, die Skalierung und die weitere Produktentwicklung gedacht. Immer wieder kommt aber die Expansion in die Vereinigten Staaten zur Sprache, doch soweit sind die Löwen noch gar nicht.
Erstmal nehmen sie das Produkt auseinander. Carsten Maschmeyer grillt lieber mit Freunden oder Nachbarn, dafür ist ein Grill mit zwei Steakplätzen natürlich viel zu klein. Judith Williams sieht vor allem ihre schöne Arbeitsfläche, denn aus der dafür vorgesehenen Abtropfschale tropft das Fett auf den Boden. Was alle Investoren gemeinsam haben: die Bewertung ist ihnen viel zu hoch. Kann auch nicht sein, dass Gründer schon ohne einen der Löwen über die Startphase hinaus erfolgreich sind. Sowohl die vegetarische Amerikanerin Williams, als auch Digitalguru Frank Thelen betonen ausdrücklich wie gerne sie investieren würden, die zwei Millionen Euro sind dann aber doch nicht drin. „Fleisch ain’t no Firlefanz“ war der Slogan der „Grillers“, für die Löwen war es aber genau das.
„Kein Gamechanger, sondern ein Lifechanger“
Mit dem letzten Start-Up der ersten Folge hat sich Vox den Quoten-Leckerbissen bis ganz zum Schluss aufgehoben. Wie sollte es auch anders sein, die Vorschauszenen wie sich Judith Williams eine Träne aus dem Auge wischt sind auch einfach zu gut. Und obwohl Vox jede einzelne Sekunde der, zugegeben traurigen Szenen, mit der dramatischen Hintergrundmusik ausschlachtet, nimmt man den sympathischen Gründerinnen jedes Wort und jedes Detail ihrer Geschichte ab.
Die heute 26-jährige Dindia Gutmann hatte drei Monate vor ihrer Geburt einen Schlaganfall im Mutterleib. Seitdem ist sie beinahe halbseitig gelähmt, hat Gleichgewichtsstörung und wäre eigentlich auf einen Rollstuhl angewiesen. In einen Rollstuhl wollte sie jedoch nie und als die Ärzte irgendwann nicht mehr weiterwussten, fing ihre Mutter Anna Vonnemann kurzer Hand selbst an zu tüfteln. In über zehn Jahren der Entwicklung, die sie komplett selbst finanzierte, kreierte sie ein Produkt, das dem Körper über elektrische Stimulation den Reiz vermittelt, gerade zu gehen und das Gleichgewicht zu halten. Dindias Leben hat diese Erfindung enorm bereichert, an andere Patienten dürfen die Gründer ihr Produkt aufgrund einer zu teuren Lizenz allerdings nicht weitergeben.
Diese Lebensgeschichte rührte beinahe jeden Löwen zu Tränen, sie überboten sich gegenseitig in Respektsbekundungen und übten sich absolut angemessen in Demut. Die 200.000 Euro für 20% an der Firma „MoveAid“ wollte auch kein Löwe nachverhandeln. Judith Williams, Frank Thelen und Ralf Dümmel stiegen zwar aus, allerdings wohlwissend, dass die MoveAid Gründer von den beiden anderen Löwen ein Investment erwarten durften. Carsten Maschmeyer, dessen Großvater und Mutter an einem Schlaganfall verstarben, hob seine Begeisterung für Produkt und Gründer hervor, und bekräftigte diese durch den Klassiker „Ich investiere nicht in Zahlen, ich investiere in Menschen“. Die ehemalige Miss Germany Dagmar Wöhrl setzte ihr Millionen-Dollar-Lächeln auf und betonte zum gefühlt achten Mal, dass in ihrem Familienunternehmen nicht nur sie, sondern auch ihr Mann und Sohn hinter dem Investment stehen.
Bei aller Inszenierung gerät ein bisschen außer Acht, dass eine Mutter, ohne jegliches medizinisches Know-How, tatsächlich ein beeindruckendes Produkt geschaffen hat, dass nun von zwei finanziell potenten Investoren mit gefördert wird. Denn darum geht es doch eigentlich in der Höhle der Löwen, dass starke Gründer und eine guten Idee mit dem richtigen Investor zusammengebracht werden. Auch wenn die dramatischen Fernsehbilder teilweise etwas dick aufgetragen wirkten, hat die Sendung an sich ihren Reiz nicht verloren: innovative Start-Ups zu fördern und zu promoten.
Bildquellen: © MG RTL D / Frank W. Hempel
© MG RTL D / Bernd-Michael Maurer